Kritiken Brasilien (1907, 1914, 1920)

Hedy Brügelmann hat in den Jahren 1907, 1914 und 1920 Tourneen durch Brasilien unternommen. Auch darüber gibt es Artikel und Kritiken, zum Teil auf portugiesisch, aber auch Artikel aus der 'Deutschen Zeitung' in Porto Alegre.

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 50, 8. Jahrgang, 14.12.1907
Kunst und Künstler
Ehrungen einer deutschen Künstlerin in Brasilien.
Die Kölner Konzertsängerin Hedy Iracema-Brügelmann hat ihre Konzert-Tournée durch Süd-Amerika beendet. Gleich ihr erstes Auftreten vor dem verwöhnten Publikum in der Millionenstadt Rio de Janeiro und der dortigen sehr strengen Kritik war ein großartiger Triumph. Sowohl die brasilianischen wie die französischen Zeitungen der Hauptstadt, welche uns vorliegen, ergehen sich in enthusiastischen Lobeserhebungen über die reine, frische Stimme und deren tadellose Durchbildung in der strengen deutschen Schule, sie rühmen den Glanz, die Geschmeidigkeit und die berückende Süße, die seltene Ausgeglichenheit der Register, das wunderbare Piano der Kopftöne, die staunenswerte Atemtechnik, sowie den durchgeistigten, hochmusikalischen Vortrag. Dazu beherrsche sie mit gleicher Vollkommenheit die italienische, französische und brasilianische Sprache. Besonders hervorgehoben wird ihr vornehmer, über jede konventionelle Effekthascherei erhabene Gesangsstil. Sieben Mal trat die Künstlerin in den hauptstädtischen Konzertsälen auf, darunter in drei eigenen Konzerten, überschüttet mit frenetischen Beifallsbezeugungen. Ihre Konzerte werden einstimmig eine "musikalische Erhebung", eine "wahre Weihe" für das musikverständige Publikum genannt, der hinterlassene Eindruck sei ein unvergleichlicher, unvergeßlicher.

 

In ihrer Heimatprovinz Rio Grande do Sul und besonders in deren Hauptstadt Porto Alegre, wurde sie nach solchen Triumphen in der Metropole mit großer Spannung erwartet. Auch dort erntete sie außerordentliche Ehrungen. Ein Blumenregen empfing sie bei der Landung, zwei vom Präsidenten des Staats beorderte Militärkapellen ließen abwechselnd ihre Weisen erklingen und in einer begeisterten Rede feierte man sie vor der ganzen Bevölkerung als die große Künstlerin, welche den Namen Brasiliens in musikalischer Beziehung im Auslande zu Ehren brächte. Nach diesem Willkommen ging's im langen Zuge mit den Musikkapellen zum Hotel, welches Abends unter den Klängen einer Serenade in elektrischem und bengalischem Licht erstrahlte; Raketen knatterten und das Viva-rufende Volk ruhte nicht eher, als bis sich die Künstlerin auf dem Balkon zeigte. Das große Theater San Pedro war in wenigen Tagen ausverkauft. Bei ihrem Erscheinen auf der Bühne wurde sie unter endlosen Hochrufen mit Blumen und Serpentinen aus den Rängen und Galerien überschüttet, der Beifallsjubel steigerte sich von Nummer zu Nummer. Auf offener Bühne in einem wiederholten Blumenregen überreichte ihr eine Abordnung von Damen, an ihrer Spitze die Gemahlin des Staatspräsidenten Vorges de Medeiros, unter anderen Geschenken und inmitten von einigen 30 Blumengebinden einen kostbaren Diamantring. Ein zweites Konzert war dem deutschen Klub "Germania" gewidmet. Dort hatte die Künstlerin einst als Anfängerin ihre erste Anerkennung gefunden, und die dortige deutsche Presse spricht ihren freudigen Stolz darüber aus, wie herrlich sich alle ihre schon damals vielversprechenden künstlerischen Anlagen ihrer Voraussage gemäß entfaltet haben. Die Brasilianer haben ihre landsmännische Sängerin für ihre hervorragende Kunst mit der Verleihung des Namens ihres wertvollsten und volkstümlichsten nationalen Epos "Iracema" geehrt.

 

Zeitungsberichte aus Porto Alegre

Fabio Shiro Monteiro aus Karlsruhe hat im Archiv in Porto Alegre (Arquivo Histórico Municipal Moysés Vellinho) in der Tageszeitung: "A Federação" zahlreiche Artikel gefunden über Hedys Auftritte in Brasilien in den Jahren 1907, 1914 und 1920.

1907

 

Erläuterungen zu den Zeitungberichten von 1907 aus Porto Alegre (von Fabio Shiro Monteiro):

1. A Federação, Mo, 30.9.1907: Bericht über ein Abschiedskonzert am 14.9. in Rio (Club Germania) mit Amalia und Hedy. Offenbar sind beide Schwestern anschließend nach Süden gereist. Anwesend war der Senator Pinheiro Machado, der sich als Vertreter der Provinz Rio Grande do Sul mit Champagner bei der deutschen Gemeinde für alles bedankte, „was sie für die Industrie, Handel und Kultur in unserem Staate beigetragen hat."

2. Idem, Di 1.10.1907: Ankündigung eines Konzertes mit Hedy und Amalia zum Sa, 5.10. im Theater São Pedro in Porto Alegre. Dazu ein Besuch Hedys am 1.10. in der Zeitungsredaktion.
3. Idem, Do, 3.10.1907: Änderung des Konzerttermins mit Hedy und Amalia zum Mo, 7.10. Programmangaben. Liste der Damen, denen das Konzert gewidmet wird.

4. Idem, Sa 5.10.1907: Neuankündigung des Konzerts mit Hedy und Amalia am Mo, 7.10. Programmangaben für Hedys Teil.

5. Idem, Di 8.10.1907: Bericht über das Konzert des Vorabends (!), mit ausführlichen Angaben über Hedys Werdegang. Bemerkenswerte Stellen: „Als Hedy Iracema sich vornahm, nach Brasilien zu reisen, hat mancher versucht, sie davon abzuraten. Nicht ohne Grund, denn sie würde wohl weder Geld noch Applaus bekommen. Daraufhin antwortete sie: "Ich werde weder Geld noch Applaus bekommen, aber dafür wieder meine Muttersprache hören und meine Heimat sehen." (… ) „Im Theater war kein einziger Platz mehr frei, es herrschte angespannte Erwartung. Die Gesangschwestern Hedy und Amalia wurden überall zum Gesprächsthema, und ihre Namen immer wieder verwechselt. Um Punkt neun schwiegen die beiden Militärkapellen, von der Escola de Guerra und der Brigada Militar, die im Foyer bis dahin munter musizierten, und der Vorhang ging auf. Die Bühne wurde zum Festsaal, als Hedy Iracema erschien. Verführerisch, sympathisch und elegant, schritt sie voran, lächelnd und sichtlich vom Applaus, von den Blumen, Papierschlangen und Zurufen gerührt. (…)"

6. Idem, Mi 9.10.1907: Die Zeitung beschwert sich, dass im Konzert am 7.10. in den Gängen des Theaters „grobe Unverschämtheiten und Sprüche zu hören waren, die inkompatibel zur Erziehung und Respekt wären, die zum zivilisierten Menschenumgang gehören." Und hofft, dass sich so was nicht wiederholt.

7. Idem, Mi 16.10.1907: Die Schwestern Amalia und Hedy kündigen ein weiteres Konzert an, „sobald über einen Termin im Theater São Pedro verfügbar wird."

8. Idem, Di 22.10.1907: Die Schwestern kündigen an, das Konzert wird am 28.10. stattfinden. Am Vortag (also am 21.10.) haben sie die Escola de Guerra (Offizierschule) besucht, wo beide „lebhafte Sympathiebekundungen von Schülern und Offizieren" erhielten.

9. Idem, 26.10.1907: Ankündigung des Programms zum Konzert des 28.10.

10. Idem, 28.10.1907: Neue Ankündigung des Konzertes, dazu den Hinweis, dass im Schaufenster des Fotoateliers Ferrari „eine schöne Lyra aus Kunstblumen" zu sehen ist. Oben ist das Emblem der Escola de Guerra, eine goldene Burg aus Satin. Unten, zwischen Saiten und Armen der Lyra, stehen die Bilder von Amalia in rosa und Hedy in blauen Satin. „Diese Lyra wird den beiden Schwestern beim Konzert von den Offiziersschülern überreicht". Das Konzert findet allerdings nicht im Theater, sondern im Tanzsaal der „Bailante“ statt, der eigens dafür von den Offiziersschülern geschmückt wurde.

11. Idem, 29.10.1907: Das Konzert wurde wegen starken Regenfalls um einen Tag verlegt.

12. Idem, 30.10.1907: Bericht über das Konzert des Vorabends, das um halb zwölf zu Ende ging (!). Dazu die Nachricht, dass Hedy am 31. abreist, zunächst in den Süden des Staates (wohl nach Pelotas), danach zurück nach Europa.

1914

 

Erläuterungen zu den Zeitungberichten von 1914 aus Porto Alegre (von Fabio Shiro Monteiro):

1. A Federação, Fr 12.6.1914: Ankündigung der Ankunft von Hedy in Porto Alegre „zum kommenden Dienstag“ (also zum 16.6.), mit dem Dampfschiff Itapura der Companhia Nacional de Navegação Costeira. Sie soll in der Heimat „einige Konzerte" geben.

2. Idem, Mi 17.6.1914: Nachricht der Ankunft Hedys am Vorabend, 20 Uhr. Am Pier wurde sie von der Blaskapelle der Brigada Militar feierlich-musikalisch empfangen (!).

3. Idem, Fr 19.6.1914: Bericht über den Besuch Hedys in der Zeitungsredaktion am Vortag. Sie singt ein Konzert bereits am Samstag, 20.6. im Theatro São Pedro. Konzertprogramm.

4. Idem, Sa 20.6.1914: Konzertankündigung für Hedy, mit Bild, Programm und der Angabe des Klavierbegleiters Henri Penasse. Außerdem die Nachricht, dass sie bereits in Rio und São Paulo sang und ihr Publikum dort „tief beeindruckt hat".

5. Idem, So 21.6.1914: Kurznachricht über das Konzert des Vorabends. Das war sehr beeindruckend, das Haus war voll, und ein ausführlicher Bericht folgt.

6. Idem, Di 23.6.1914: Der angekündigte Konzertbericht beginnt mit der Feststellung, „sehr lange ist es her, dass ein so reines Kunstfest mit einstimmigen und spontanen Ovationen stattfand." Der Saal war vollständig gefüllt, mit Musikern, Liebhabern und Familien der deutschen Gemeinde.

7. Idem, Fr 26.6.1914: Bericht über einen musikalischen Empfang des Vorabends zu Ehre Hedys im vollbesetzten Kinosaal Avenida (2000 Plätze!). Dort wurde sie mit einem Blumenstrauß, einem projizierten Foto (vom Schwager Jacintho Ferrari geknipst) und mit Musik vom 16-köpfigen Orchester der Sociedade Musical Porto Alegrense geehrt.

8. Idem, So 5.7.1914: Hedy teilt der Presse per Telegramm mit, dass sie am nächsten Tag von Pelotas nach Porto Alegre zurück fahren wird. In Porto Alegre wird sie „noch ein oder zwei Konzerte im Theatro Apollo geben, bei günstigen Eintrittspreisen."

9. Idem, Mi 8.7.1914: Nachricht über Hedys Ankunft am Vortag in Porto Alegre, dazu ihr Programm fürs Theatro Apollo.

10. Idem, Fr 10.7.1914: Anzeige des Theaters zum Abendkonzert.

11. Idem, Sa 11.7.1914: Nachricht über Hedys Konzert des Vorabends im vollbesetzten Theatro Apollo. (Dieses Theater wurde erst in April 1914 gebaut und hatte 2100 Sitzplätze!)

12. Idem, Di 14.7.1914: Bericht über Hedys Abreise am vorigen Samstag (also 11.7.) in Richtung Rio, dann nach Europa zurück. Viele Lobesworte über ihre Kunst und den sehr herzlichen Empfang von den Landsleuten während ihres ganzen Aufenthaltes, bis zur Abreise am Hafen.

1920

Erläuterungen zu den Zeitungberichten von 1920 aus Porto Alegre (von Fabio Shiro Monteiro):

1.  A Federação, Di, 27.7.1920: Frau Lina Hirsch schreibt aus Stuttgart der Tageszeitung „O Jornal“ in Rio und berichtet über Hedys großem Erfolg in der Titelpartie von R. Strauss's „Salome" Darüber hinaus wird über Hedys Wiener Aufenthalt (Aug 1917 - Nov 1919) gesprochen und auch behauptet, Strauss hätte sie eine der besten Interpretinnen seiner Werke genannt. Am Ende noch war von einem Lieder- und Arienabend Hedys am Teatro Municipal (wohl in Rio) die Rede, der vor ihrer Rückkehr nach Europa stattgefunden hätte.

2. Idem, Do, 19.8.1920: Hier ist ein Interview mit Hedy zu lesen, so interessant, dass ich es fast vollständig übersetze:

„Unter den zahlreichen Passagieren des großartigen niederländischen Dampfers „Gelria", der vor wenigen Tagen aus Amsterdam ankam, befand sich lt. der Tageszeitung „A Notícia" aus Rio die berühmte bras. Sängerin Hedy Iracema, die Schwester der ebenfalls bemerkenswerten Sängerin Amalia Iracema, deren Karriere allerdings endgültig beendet ist.
Frau Hedy Iracema besuchte Brasilien zuletzt in 1914. Damals, zurück nach Europa, erlebte unsere Landesgenossin den Ausbruch des Großen Krieges, der sie zwang, in Deutschland zu verbleiben, wo sie viele Vertragsverpflichtungen hatte. Diese lange Abwesenheit hat sie künstlerisch weit gebracht. Dagegen waren die Lebensumstände (in Europa) so schrecklich, wie sie uns gestern berichtete, dass sie seit vier Jahren keinen Schluck frischer Milch mehr genossen hat, so wie auch Zucker, der diesen Namen verdiente… Ihre Erfolge auf den Bühnen konnten aber alle Widrigkeiten wettmachen. ‚Ich habe an der Kaiserlichen Oper Berlin und auf fast allen bedeutenden Opernbühnen Deutschlands gesungen. Unter dem großen Weingarner (wohl Felix Weingartner) sang ich mehrmals, und ich freue mich, dass er in Rio Erfolge feierte.'
Auf unsere Frage, ob sie sich eine Spezialistin nenne, z. B. in Wagner, antwortete sie: ‚Nein, ich bin gegen Spezialisierungen. Es ist von essenzieller Bedeutung, gut zu singen, und zwar alles, was sich lohnt. Und das hat nichts zu tun mit meiner immensen, unendlichen Bewunderung für Wagner…'.
Frau Hedy Iracema wollte von uns wissen, wie die Musik von Richard Strauss bei den Kritikern in Rio angekommen war, dem hervorragenden Dirigenten der k.u.k. Oper in Wien: ‚Ich habe großes Interesse an Strauss aus verständlichen Gründen. Ein Genie, deren Oper Salome, Ariadne, Elektra und… Die Frau ohne Schatten, ich unter seiner Regie in Wien gesungen habe. Meiner Meinung nach ist er außergewöhnlich, als Komponist und als Dirigent.'
Dann werden wir sie wohl in der kommenden Saison mit diesem Repertoire und mit Wagner hören? ‚Ich glaube nicht. Das (Theater) Colón (aus Buenos Aires) hat seine Besetzungen bereits komplett. Da wäre ich ein Eindringling…'. Aber das Publikum im Municipal (Rio) würde Ihnen mit religiösem Eifer zuhören! ‚Ich werde tatsächlich bei der Companhia Bonetti mitsingen, kann aber noch nicht genau sagen, was. Es ist mir eine unbeschreibliche Freude, nach Brasilien zu kommen'– sagte Frau Hedy Iracema mit einem Lächeln, um das Thema zu wechseln – . An der Wiener Oper hatte ich einen Vierjahresvertrag. Den Fall des Ancien Regime haben einige Kollegen und ich genutzt, um die Verträge zu kündigen, die noch zu Kaisers Zeiten abgeschlossen wurden.'
‚Im September muss ich aber unbedingt zurück nach Deutschland, wo ich einen neuen Vertrag an der Karlsruher Oper unterschrieben habe. Wobei ich nicht daran glaube, dass ich diesen Vertrag vollständig erfüllen werde könne.'

‚In Brasilien wieder zu singen macht mich sehr glücklich. Ich merke, dass man nun unsere bras. Eigenschaften mehr schätzt und liebt, das ist erfreulich und begeisternd. Sie glauben nicht, wie ich mich über den Erfolg von (der Sängerin) Zola Amaro in der letzten Saison gefreut habe. Und welch ein glücklicher Zufall: wir sind beide aus Rio Grande do Sul!'.
Frau Hedy Iracema konnte also ihre Freude nicht verbergen, wieder unter Landsleuten zu sein. Sie erinnerte sich liebevoll an die Stationen ihres Künstlerlebens, stets mit der Verbindung zwischen ihrem eigenen Namen und den der Heimat…".

 

Deutsche Zeitungsartikel aus der Bibliothek der Päpstlichen Katholischen Universität von Rio Grande do Sul

Freundlicherweise von Fabio Monteiro vor Ort gesichtet und übermittelt. Es geht um Berichte über die brasilianischen Konzertreisen von Hedy Brügelmann im den Jahren 1907 und 1914.

 

Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 30.9.1907

Ankunft. Heute trafen aus Rio die Sängerinnen Frau Hedy Brügelmann und Frl. Amalia Haensel (Iracema) sowie Hr. Intendent G. Gaelzer von Sao Leopoldo hier ein, von Verwandten und Freunden an Bord begrüßt. Auch wir entbieten ihnen unsern herzlichen Willkomm!

Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 1.10.1907

Das Konzert des Künstlerinnenpaares Amalia Iracema-Haensel und Hedy Brügelmann wird nächsten Sonnabend im Theater S. Pedro stattfinden. - 

Wir erhielten den Besuch der Sängerin Frau Hedy Brügelmann. Verbindlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Es sei an dieser Stelle nachgetragen, daß die Künstlerin einige Tage nach ihrem Konzert einen Liederabend in der "Germania" zu veranstalten gedenkt.

Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 2.10.1907

Die Sängerinnen Frau Hedy Brügelmann und Frl. Amalia Haensel haben ihre Mitwirkung bei einem Konzerte zugesagt, welches am 2. Tage des Bazars der Rechtsfakultät, 13. ds. Mts., im Theater stattfinden wird.

Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 3.10.1907

Musikleben.
Das Konzert von Frau Hedy Brügelmann wird erst nächsten Montag (7.) stattfinden, nicht schon am Sonnabend (5.). Das Programm weist folgende Darbietungen auf: R. Wagner: Arie aus "Tannhäuser"; Ch. Gounod: Ballade und Schmuck-Arie aus "Faust"; Godard: "Berceuse"; Araujo Vianna: "Maria"; Barroso Netto: "Cantiga"; Puccini: "Vissi d'arte" aus "Tosca"; Carlos Gomes: Ballade aus "Guarany"; Alberto Nepomuceno: "Tu és o soi", letztere Komposition von der Schwester der Künstlerin, Frl. Amalia Iracema Haensel gesungen.

Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 8.10.1907

Musikleben.
Selten ist wohl das Auftreten einer Sängerin in Porto Alegre mit so allgemeiner Spannung erwartet worden wie das von Frau Hedy Brügelmann, Tochter unseres verstorbenen Mitbürgers Commendador Friedrich Haensel und Schwester der gefeierten Sängerin Frl. Amalia Haensel (Iracema). Die Erwartungen, mit denen das Publikum gestern ins Konzert ging, waren ersichtlich hochgespannte; wußte man doch, daß die junge deutschbrasilianische Künstlerin schon in Deutschland auf reiche Erfolge zurückblicken kann und bei ihrem jüngsten Besuche in Rio in ganz außerordentlicher Weise ausgezeichnet worden war.

Für diejenigen, welche Frau Brügelmann noch als junges, kaum den Backfischjahren entwachsenes Mädchen gekannt haben und ihre hervorragende gesangliche Begabung in ihrer ersten Entwicklung verfolgen konnten, war es von ganz besonderem Interesse, das Resultat dieser Entwicklung von der begabten Dilettantin zur gereiften Künstlerin vor Augen zu haben.

 

Und in der Tat darf man nach dem gestrigen Konzert mit voller Ueberzeugung sagen, daß uns in Frau Hedy Brügelmann eine fertige Künstlerin entgegengetreten ist. Die Art, wie sie ihre reichen und schönen Stimmittel zu behandeln weiß, die tadellose Atemtechnik, die Ausgeglichenheit der Register, der zarte und doch stets sichere Tonansatz, dann die vornehme, im Kunstwerk aufgehende, prägnante und dabei wohltuend abgetönte Vortragsweise  —  das alles zeugt davon, daß die Künstlerin sich die Unterweisung hervorragender Lehrer, die sie am Kölner Konservatorium genossen, aufs beste zu nutze zu machen verstanden hat. Echt künstlerisches Maßhalten scheint uns einer der Hauptvorzüge ihrer Vortragsweise zu sein. Die gediegene deutsche Schule, welche nicht auf Momenteffekte hinarbeitet, sondern in der gleichmäßigen künstlerischen Durchdringung der Komposition ihre Aufgabe erblickt, feiert in Frau Brügelmann echte Triumphe.

Was die Entwicklung der rein stimmlichen Begabung anlangt, so hat die Sängerin vollauf gehalten, was sie in früher Jugend versprach. Ihre sonore, leicht dunkel getönte, umfangreiche und ausgiebige Stimme hat sich prächtig entfaltet und gehorcht allen Intentionen der Sängerin mühelos. Die Beherrschung der dynamischen Effekte vom zartesten, aber bis in den entferntesten Winkel tragenden Pianissimo-Hauch, bis zum machtvollen Fortissimo ist eine vollkommene. Auch in der Koloratur ist die Stimme immer schön, wenn auch ihr ganzer Charakter sie mehr auf das Gebiet der Cantilene hinweist.

 

Wir müssen wegen Mangels an Zeit davon absehen, auf die Darbietungen des Programms, welches in seiner Zusammenstellung dem speziell lusobrasilianischen Geschmack vorwiegend Rechnung trug und auch brasilianische Tonsetzer gebührend berücksichtigte, im einzelnen einzugehen. Die gewählten Darbietungen boten reichlich Gelegenheit, die Vorzüge von Frau Brügelmanns Künstlerschaft in ihren verschiedenen Erscheinungsformen zu bewundern. Die Sängerin wurde denn auch nach Verdienst gefeiert. Gleich bei ihrem ersten Auftreten empfing sie lebhaftes Willkommklatschen des starkbesetzten Hauses inmitten eines Blumen- und Serpentinenregens. Nach Schluß des ersten Teils wurde ihr von einer Schar kleiner Mädchen eine Fülle schöner Sträuße überreicht, und die Ovationen wiederholten und steigerten sich bei jedem Wiedererscheinen und Abgang von der Bühne.

 

Mit aufrichtiger Anerkennung sei gleich an dieser Stelle der Damen Frl. Hilda Archer und Frau Branca Rocha Furtado für ihre treffliche Begleitung auf dem Flügel gedacht.

Außer der Konzertgeberin wirkte in vokaler Hinsicht noch deren Schwester mit, Frl. Amalia Haensel, welche das im Publikum sehr beliebte Lied "Tu és o sol" von A. Nepomuceno mit der ihr eigenen Verve und Kunst vortrug und sich entschließen musste, es zu wiederholen, eine Auszeichnung, welche übrigens auch ihrer Schwester zu teil wurde. Rauschender Beifall und ein wahres Bombardement von Blumensträußen lohnte ihre Darbietung.

 

Zur Ausfüllung der Pausen zwischen den Gesangsvorträgen wurden von hiesigen Dilettanten und Berufsmusikern zwei Quintettarrangements und ein Violinduett mit Klavierbegleitung dargeboten. Von den Quintetten verdient das zweite ("Serenade" von Volkmann) lobende Erwähnung. Die beiden jungen Geigenfeen, welche sich an eine ziemlich schwierige Paraphrase über Melodien aus "Rigoletto" gewagt hatten, Frl. Themira de Azevedo und Frl. Adiles Furtado, entledigten sich ihrer Aufgabe mit Hingebung und hübschem Talent.

 

Noch sei erwähnt, daß die Konzertgeberin durch die Damen, denen die Veranstaltung speziell dediziert war, an der Spitze die Gemahlin des Herrn Staatspräsidenten, durch ein wertvolles Angebinde (Brillantring) besonders geehrt wurde.

  

Das Konzert war für die Sängerin ein unbestrittener großer Erfolg, der uns nun erst recht für den in Aussicht gestellten "deutschen Liederabend" in der "Germania" in Spannung versetzt hat. Das Konzert im Theatersaale hat uns die Sängerin "Hedy Iracema" gezeigt  —  wie sie sich mit Inanspruchnahme eines anerkannten Künstlervorrechtes dem großen brasilianischen Publikum gegenüber nennt. In der "Germania" hoffen wir nun in intimerem Kreise die in Deutschland ausgebildete, an deutscher Kunst erstarkte und gereifte Künstlerin Frau Hedy Brügelmann zu hören, die Gemahlin unseres alten Freundes Theodor Brügelmann und Tochter eines alteingesessenen angesehenen Porto Alegrenser Familienkreises, die deutsch-brasilianische Sängerin, welche einst in derselben "Germania",  die dem "Liederabend" mit innigem Interesse entgegensieht, sozusagen künstlerisch aus der Taufe gehoben worden ist. Indem wir der hochgeschätzten Vertreterin der deutschen Gesangskunst unsern herzlichen Glückwunsch zu dem großen Erfolg ihres gestrigen Konzertes aussprechen, stehen wir nicht an zu erklären, daß wir und viele Andere uns auf den "Liederabend" ganz besonders freuen.

 


 

Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 25.10.1907

Musikleben

Der "Deutsche Liederabend", welchen Frau Hedy Brügelmann gestern veranstaltete, wird in den Annalen des "Turnerbund" als schöne Erinnerung eingezeichnet bleiben. Selten wohl hat unser Porto Alegrenser Publikum deutschen Stammes die Werke deutscher Liederkomponisten mit solchem Verständnis vortragen hören, wie gestern, und eben so selten wohl hörte es den ganzen Abend dem Vortrage der Sängerin mit solcher Aufmerksamkeit, man möchte fast sagen Andacht zu. Wie innig wusste Frau Brügelmann die herrliche Arie: "Nie nahte mir der Schlummer" aus "Freischütz" wiederzugeben, wie weihevoll klang das Gebet "Leise, leise, frommer Weise", und wie jubilierte und triumphierte die Stimme am Schluss! Wir möchten diese Agathenarie als Glanzpunkt des Abends betrachten, der unserer Meinung nach besser den Schluss des Programms gebildet hätte. Von den übrigen Vorträgen der Sängerin sprachen uns am meisten die Schubertschen Lieder "Erlkönig", "Der Lindenbaum", und "Die Heimat"  von Erny, komponiert von Egmont Baltz, an. Zu Koloraturen eignet sich Frau Brügelmanns Stimme weniger, ihre Hauptstärke liegt in der Kantilene, in der sie Hervorragendes leistet.

 

Das zahlreich erschienene Publikum spendete wohlverdienten Applaus, und der Vorsitzende des Turnerbundes, Hr. Aloys Friederichs, überreichte der Sängerin mit kurzer Ansprache als Andenken ein Album mit Ansichten unseres Staates, und ein Bild des "Turnerbundes" nebst einer Blumenspende.

 

Die beiden Quartette von W. Popp, von denen das eine Webersche, das andere Schubertsche Motive behandelte, wurden von den Herren Schmitt (1. Violine), Simm (2. Violine), Völckers (Cello) und Dr. Birnfeld (Klavier) vortrefflich vorgetragen und ernteten reichlichen, wohlverdienten Beifall. Zur harmonischen Gesamtwirkung trug auch ganz bedeutend die ausgezeichnete Begleitung des Hrn. J. G. Schwarz bei, welcher in dieser schwierigen Kunst wirklich hier seines Gleichen sucht. Alles vereinte sich, um den Abend zu einem der genussreichsten unseres musikalischen Lebens zu gestalten. 

Neue Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 25.10.1907

Deutscher Liederabend.
Unser deutsches Publikum hatte sich vorgestern abend zahlreich versammelt und füllte den geräumigen Saal der Turnhalle bis auf das letzte Plätzchen, um traulichen deutschen Weisen aus dem Munde einer Sängerin von Ruf auf einige Stunden zu lauschen. Es kommt in unserm Porto Alegre leider nur zu selten vor, daß uns ein Kunstgenuss wie der gestrige war und noch dazu mit Musik ausschließlich klassischer und moderner deutscher Autoren, geboten wird. Aus obigem Grunde sind wir Frau Hedy-Iracema Brügelmann zu besonderem Dank verpflichtet, daß sie der Aufforderung der Leitung des "Turner-Bundes" bereitwilligst Folge leistete, einen zweiten deutschen Liederabend zu veranstalten und somit auch den Nichtmitgliedern der "Germania" Gelegenheit bot, nach langen Jahren deutsche Kunst und Schule bewundern zu können. Wir haben ja ziemlich oft Gelegenheit, italienische Sänger und Sängerinnen zu hören, welche, die einen mehr und die anderen weniger, durch ihr ewiges Tremolieren uns immer bald zuwider wurden und wohl auch dadurch mit dazu beitrugen, daß nach einigen Vorstellungen sie vor leerem Hause singen mussten. Dieser Mißstand ist jedoch auf die Schule und weniger auf die Künstler zurückzuführen und deshalb überkam uns vorgestern eine feierliche Stimmung, als Frau Brügelmann die ersten Laute der Arie der Agathe aus dem Freischütz ertönen ließ, denn bei solchem herrlichen Gesang könnte man ununterbrochen lauschen, ohne zu ermüden oder seiner überdrüssig zu werden. Wir wollen es uns heute ersparen, nochmals die künstlerischen Vorzüge der Sängerin besonders hervorzuheben und beschränken uns darauf, den wundervollen Vortrag von Schuberts "Erlkönig" zu erwähnen, worin uns einmal gezeigt wurde, in welchem Grade es auf den Vortrag eines Liedes ankommt, um es als ein ganzes Kunstprodukt zu bieten, denn die uns bisher gebotenen Vorträge desselben halten auch nicht annähernd einen Vergleich aus mit der vorgestrigen Interpretation, darum ist auch dieses wohl als die Glanznummer des Abends zu bezeichnen. Trotzdem das ganze Programm nur Perlen deutscher Musik enthielt, hat uns der erste Teil desselben doch weit besser gefallen als der zweite, was auch von den Quartetten gilt, die ja beide von den Herren Schmitt, Simm, Völckers und Dr. Birnfeld tadellos vorgetragen wurden und deren ersteres Webersche Motive behandelte, welche schön in den Vordergrund traten, während das letzere über Schubertsche Motive die eigentlichen Kompositionen zu sehr verschleierte. Ferner wurde uns auch eine Arbeit unseres deutsch-brasilianischen Komponisten Egm. Baltz geboten, worin ein Gedicht unseres Mitbürgers Erny in Musik gesetzt; diese Schöpfung zeichnet sich durch eine gefällige ansprechende Melodie aus und wird wohl bald, wie auch andere Kompositionen dieses Herrn, Allgemeingut unserer musikliebenden Kreise werden. Einen nicht geringen Teil ihres großartigen Erfolges hat Frau Brügelmann jedoch der vorzüglichen künstlerischen Klavierbegleitung des Herrn Musiklehrer J. G. Schwarz zu verdanken, welcher unseres Erachtens darin kaum seines gleichen finden dürfte. Im Namen des Turnerbundes überreichte dessen Präsident, Herr J. Aloys Friedrichs in der Pause der Sängerin ein kleines Angebinde, bestehend aus einem reizenden Blumenbouquet und einem Album mit Ansichten unseres Staates, welche sie noch recht oft an die in unserer Mitte verlebten angenehmen Stunden erinnern möge, denn allen Anwesenden wird wohl dieser so lange herbeigesehnte Kunstgenuss noch lange in der Erinnerung bleiben.

Wie wir hören, wird sich Frau Brügelmann in den nächsten Tagen wieder nach Europa einschiffen und am Montag abend in der Bailante ihr Abschiedskonzert geben, wozu wir ihr nochmals ein volles Haus wünschen.

Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 30.10.1907

Frau Hedy Brügelmann stattete uns heute in Gesellschaft ihrer Schwester Fräulein Amalia Haensel (Iracema) ihren Abschiedsbesuch ab, da sie übermorgen die Heimreise nach Deutschland antritt.  —  Wir wünschen der hochgeschätzten Künstlerin glückliche Ueberfahrt und noch viele Lorbeeren auf ihrer weiteren Laufbahn.

Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 31.10.1907

Musikleben
Das vorgestern Abend in der Bailante veranstaltete Abschiedskonzert der Sängerinnen Frau Hedy Brügelmann und Frl. Amalia Haensel (Iracema) fand vor nahezu ausverkauftem Hause statt, trotz der recht ungünstigen Witterung. Wie wir hören und lesen, wurden beide Künstlerinnen in ganz außerordentlicher Weise gefeiert. Eine Kommission von Kriegsschülern hatte den Saal für den Abend prächtig ausgeschmückt. Uns war es wegen Ueberhäufung mit Arbeit zu unserm Bedauern nicht möglich, der Einladung zu diesem Konzert folgezuleisten.

Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 11.6.1914

Musikleben

Wie uns mitgeteilt wird, ist die Hofopernsängerin Frau Hedy Iracema-Brügelmann heut mit D. „Itapura” (= Dampfschiff, RB) nach Porto Alegre abgereist, so daß sie also ihre Absicht, gestern noch ein Konzert in S. Paulo zu veranstalten, aufgegeben hatte. Ihre Ankunft wird für Dienstag erwartet.

Unserer berühmten Landesmännin ist übrigens, laut einer Depesche aus Stuttgart, vom König von Bayern die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft verliehen worden.

Über das Konzert der Künstlerin in S. Paulo (30. Mai) berichtet die dortige „D. Z.” : Die Voranzeigen hatten einen erstklassigen Stern vom deutschen Opernhimmel, eine mit einer hervorragenden Sopranstimme begabte erstklassige Sängerin angezeigt, und wahrlich, sie hatten nicht zu viel gesagt. Die in Brasilien (Porto Alegre) geborene Sängerin hat den ihr vorausgegangenen Ruf nicht nur bestätigt, sie hat ihn übetroffen. Das Publikum schwelgte im Genuß der selten schönen Stimme, der wunderbaren Wiedergabe aller Stücke und der schönen, imposanten Erscheinung, die nicht wenig zur Erhöhung des Effekts beiträgt. Welch ein Genuß muß es sein, Hedy Iracema als Walküre in Richard Wagners gleichnamigem Musikdrama zu hören; sie scheint für diese Rolle geradezu prädestiniert, und wir können es begreifen, daß sie damit überall in Deutschland Sensation hervorgerufen hat. Die schwer zu singende Arie der Elisabeth aus Tannhäuser „Dich, teure Halle” gab die Künstlerin tadellos wieder und bewies damit ihre hohe dramatische Begabung, die auch in der Arie „O ciel de Parahyba” aus der Oper „Der Sklave” von Carlos Gomes vorteilhaft zur Geltung kam. Die Cavatine aus Gounods „Königin von Saba” brachte Hedy Iracema glänzend zu Gehör, so vollendet bis ins kleinste Detail, wie es selten geboten werden dürfte. Aber auch von der lyrischen Seite zeigte sich die Sängerin in glänzendem Lichte. Der Schmelz ihrer wunderbar gleichmäßig durchgebildeten, vorzüglich geschulten Stimme kam in hervorragender Weise in den Liedern zur Geltung; auch das Heldenhafte gelang der Künstlerin vorzüglich, und Richard Strauß kann gewiß für sein Glanzlied „Auf, hebe die funkelnde Schale” keine glänzendere Verteterin finden als Hedy Iracema, die Tochter des sonnigen Rio Grande do Sul. Auch im italienischen Repertoire zeigte sich die Künstlerin auf der Höhe. Die Schwierigkeiten der Arie „Ah forse è lui” (Ach vielleicht ist er es) aus Verdis „Traviata” überwand sie spielend, die Koloraturen kamen glockenrein aus der Kehle, und wir müssen schon auf die früheren weltberühmten Gesangssterne wie Désirée Artôt, Adelina Patti, Pauline Lucca und die Ungarin Etelka Gerster zurückgehen, wenn wir ebenbürtige Leistungen heranziehen wollen. Was bei Hedy Iracema-Brügelmann so sehr angenehm berührt, ist ihre durch und durch künstlerische Wiedergabe, der Verzicht auf jede Kulissenreißerei und Effekthascherei, wie man es leider oftmals bei großen Künstlern findet. Nur das rein künstlerisch Erhabene hat die hervorragende Sängerin im Auge, und jede Extravaganz, die die Galerie mit rauschenden Beifallsstürmen zu belohnen pflegt, verschmäht sie und bringt dadurch ihre Leistung auf ein noch bedeutend höheres Niveau… Das Publikum erkannte den hohen Wert der Sängerin. Mit jedem neuen Liede wuchs der Beifall, der sich hin und wieder zu enthusiastischen Kundgebungen erhob, die die Sängerin veranlaßten, mehrere „da capos” zu singen.

Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 16.6.1914

Musikleben
In eine kleine Vorbetrachtung zu dem Auftreten der deutschbrasilianischen Sängerin Frau Hedy Brügelmann in Rio flicht der bekannte Publizist „Joao do Rio” (Paulo Barreto) einige Bemerkungen über Kunst und Ehe ein, die eines gewissen originellen Anstrichs nicht entbehren. Er schreibt in seiner „Gazeta de Noticias”:

„Wir werden Hedy Iracema hören. Die bedeutende Künstlerin kam von Sao Paulo hier an, und da ihre patriotische Krise andauert, so werden wir im Munizipal-Theater mehrere Konzerte haben. Ich glaube nicht, daß in diesem Lande jemand den Mut hat, den Namen der hervorragenden Sängerin zu ignorieren, denn jeder, der die Kunst achtet, muß für sie Sympathie und Bewunderung haben.  —  Man muß sich noch erinnern, daß Hedy vor Zeiten schon hier war. Sie gab Konzerte mit ihrer Schwester, Amalia Iracema, und da wunderten sich viele, daß die Ehe in dieser bevorzugten Familie so grundverschiedene Resultate ergeben hat. Amalia Iracema kehrte, nachdem sie eine große Sängerin gewesen und in Rußland, in Deutschland, in Buenos Aires und in Rio de Janeiro große Triumphe gefeiert, nach Porto Alegre, ihrer Heimat, zurück, und dort wurde ihre Laufbahn durch eine Heirat im Zenith des Ruhmes unterbrochen. Und Hedy heiratete, um dadurch ihre Karriere erst recht zu befestigen. Ihr Gatte, ein Bankier, ist ihr aufrichtigster Bewunderer. Diese Verschiedenheit der Folgen einer Heirat auf die Kunst ist wohl im Klima und vor allen Dingen in den Sitten gegründet. In Europa ist die Kunst etwas, was über der Forderung des Lebens steht, aber man muß in Deutschland sein, unter diesem disziplinierten, schwermütigen Volke. In Deutschland ist die Musik Messe, tägliches Brot und Vergnügen. Auch der ungebildete Kopf versteht dort die höchste Musik und ihre Pfleger, ihre Interpreten genießen dort eine unbedingte Achtung, sie werden verehrt und bewundert. Die großen Künstler werden dort auf Jahre für die Opern gewonnen, die Fürsten sprechen mit ihnen und halten es für eine Ehre, sie in ihren Salons zu empfangen, Hedy Iracema, die Sängerin an der königlichen  Hofoper zu Stuttgart und die Gemahlin eines Mannes von Stellung ist, lebt in einer solchen Atmosphäre. Wenn es mit der Oper hier ebenso bestellt wäre, dann würden auch hier die Sängerinnen mit der Heirat nicht die Bühne verlassen, denn dort wird das Singen großer Meister als eine hohe soziale Aufgabe angesehen.  —  Die große Künstlerin hat aber dann und wann ihre patriotischen Krisen. Sie beginnt sich mit der Sprache zu befassen, schreibt ihren Verwandten lange Briefe und erkundigt sich immer wieder, ob ihr Portugiesisch auch fehlerlos sei, und eines schönen Tages kommt sie wieder nach ihrem geliebten Brasilien, dessen Namen sie dort draußen Ehre zu machen versteht. Das ist auch jetzt wieder der Fall. Sie verließ Stuttgart, verließ den Hof und kam zu uns mit zwei Freundinnen. Sie ist die selbe glänzende Walküre mit dem hellen Lächeln einer vollentfalteten Blume, mit ihrer starken und gesunden Liebenswürdigkeit.  —  Wir werden sie hören. Hedy wird singen, und wenn sie singt, dann ist es wie eine Erinnerung an die Nachtigall im Fliederbusch und an die Lerche in jungfräulicher Morgenstunde.”

Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 17.6.1914

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Die gefeierte Riograndenser Sängerin Frau Hedy Iracema-Brügelmann ist gestern abend mit „Itapura” hier eingetroffen und von ihren Verwandten sowie zahlreichen befreundeten Familien, dem Präsidenten der „Gesellschaft Germania”, Hrn. Emil Petersen, u. A. unter Überreichung von einer Menge Blumengewinden begrüßt worden. Der Herr Staatspräsident hatte ein Militärmusikkorps an den Dampferhalteplatz entsandt und ein Auto sowie eine Kutsche des Palastes zur Verfügung gestellt, und unter Vorantritt der Musik wurde nun die Künstlerin nach der Wohnung ihrer Schwester, Frau verw. Bahlcke in Rua Dr. Flores geleitet, wo sich eine improvisierte, aber darum nicht weniger reichbelebte Begrüßungsfeier anschloß.  —  Wir heißen die berühmte Künstlerin in ihrer Heimat herzlich willkommen!

Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 18.6.1914

Musikleben 
Wir hatten heut das Vergnügen und die Ehre, unsere berühmte Landsmännin, die Kammer- und Hofopernsängerin Frau Hedy Iracema-Brügelmann in Gesellschaft ihrer Schwester Frau Bahlcke bei uns zu begrüßen. Die  sieben Jahre seit ihrem letzten Besuch in P. Alegre sind an der jugendfrischen Walkürenerscheinung der im Zenith ihres Ruhmes stehenden Künstlerin spurlos vorübergegangen, und was das heißen will, kann man ungefähr ermessen, wenn man in den Hauptzügen verfolgt hat, wie reich an ernster, nach dem höchsten strebender künstlerischer Arbeit diese sieben Jahre gewesen sind, welche die Sängerin zu einer der ersten auf ihrem Gebiete entwickelt haben. Mit Freude nahmen wir auch die Grüße entgegen, die uns die Künstlerin von ihrem Gemahl, unserm alten Freunde aus Junggesellenzeiten her, Hrn. Theo Brügelmann, überbrachte. Leider wird der Aufenthalt von Frau Brügelmann in Porto Alegre nur eine Woche währen, da sie schon Ende ds. Mts. in S. Paulo ein zweites Konzert vor im voraus ausverkauften Hause (Gesellschaft Germania) geben will. Auch das einzige Konzert in unserer Stadt, nächsten Sonnabend, dürfte bei völlig gefülltem Theatersaale stattfinden.

Nachstehend das Programm:

1. Teil:

C. M. v. Weber: Arie der Agathe aus „Freischütz”.

F. de Otero: Folha cahida.

Araujo Vianna: Maria, o teu olhar.

Alberto Nepomuceno: Tu és o sol.

Rich. Wagner: Ballade der Senta aus dem „Fliegenden Holländer”: „Traft ihr das Schiff im Meere dort.”

2. Teil:

Ch. Gounod: Arie aus der „Königin von Saba”

(...)

Deutsche Zeitung, Port Alegre, 22.6.1914

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Zu denen, die den künstlerischen Entwicklungsgang und Aufstieg von Hedy Iracema-Brügelmann von Anfang an mit herzlicher Anteilnahme an dieser seltenen Begabung verfolgt haben, gehört auch der Verfasser dieser Zeilen, vermöge seiner Alteingesessenheit in unserm Porto Alegre und seiner langjährigen Zugehörigkeit zur „Gesellschaft Germania”, das ist zu dem Vereine, der sozusagen die künstlerische Wiege der verehrten Landsmännin war, wo sie als jugendliches Mitglied des damaligen Gesangschores und sehr bald als Solistin die ersten Lorbeerblätter zu dem Ruhmeskranze pflückte, der heut in vollem, reichem Gewinde ihr Haupt umgibt. Was die kaum den Kinderschuhen entwachsene Hedwig Haensel damals, allen ihr Näherstehenden erkennbar, versprach, das hat die nun zur Vollreife ihrer Künstlerschaft emporgestiegene Hedy Iracema-Brügelmann glänzend gehalten. Und so war das selbstverständliche Ergebnis ihres vorgestrigen Konzertes ein großer, durch nichts beeinträchtigter Erfolg vor einem kritisch gestimmten, weil mit außerordentlichen Erwartungen gekommenen, sehr gewählten Publikum, welches das Theater fast bis auf den letzten Platz füllte.

 

An äußeren Ehrungen hat es der Künstlerin ja schon vor ihrem Konzerte hier nicht gefehlt, und es berührt wohltuend, daß die höchsen Behörden des Staates wie zahlreiche Private es sich angelegen sein ließen, der  als Berühmtheit wiedergekehrtn Tochter unserer Stadt in diesen Tagen vor ihrem Auftreten den Zoll ihrer Verehrung sichtbar zum Ausdruck zu bringen. Abholung der Künstlerin in den offiziellen Staatskarossen, Begrüßung durch amtliche Vertreter, Empfang mit Milit¨rkapelle, Musikständchen vor ihrer Wohnung  —  in all diesen Bekundungen sprach sich die Hochschätzung der regierenden Kreise in sympathisch anmutender Weise aus. Daß die zahlreichen näheren Freunde und Bekannten der namhaften Porto Alegrenserin es an Beweisen der Ehrung nicht fehlen ließen, versteht sich ohne weiteres, wie auch am Konzertabend die völlig mit schönen Blumengewinden umstellte, förmlich in eine Ausstellung von Gebilden aus Floras Reich verwandelte Bühne dartat.

 

Eine Salve herzlicher Begrüßung empfing die Sängerin bei ihrem ersten Erscheinen auf der Bühne, wo Hr. Benjamin Flores in ihrem Namen den Porto Alegrensern Dank sagte für die vielen Beweise der Hochschätzung, die ihr bei ihrer Wiederkunft nach sieben Jahren hier in der Heimat zuteilgeworden seien.

 

Das Konzert nahm alsdann seinen Anfang mit der großen Arie der Agathe aus Webers immerjungem „Freischütz” (2. Akt) und zeigte die Sängerin sogleich auf der Höhe ihres Könnens, in welchem sich hervorragende gesangliche Begabung mit sorgfältigster Schulung und Durchbildung der Stimmittel zu einem herrlichen Ganzen eint. Man weiß wirklich nicht, was man bei dieser begnadeten Priesterin der Kunst mehr bewundern soll: die krystallreine Intonation, den fülligen Wohlklang der prächtigen, kerngesunden Stimme, die völlige Ausgeglichenheit der Tongebung und Modulation oder  die wundervolle Atemtechnik, die untadelige Vokalisation und Artikulation, die minutiöse Sauberkeit und Klarheit jedes einzelnen Tones in allen Lagen und Zeitmaßen, oder endlich die Innigkeit und durchgeistigte Erfassung des Stimmungsgehaltes beim Vortrag. Den letzteren Vorzug zu zeigen hatte die Künstlerin am meisten Gelegenheit in der Ballade der Senta aus Wagners „Fliegendem Holländer”: „Joho! Johoë! Traft ihr das Schiff im Meere an, blutrot die Segel, schwarz der Mast?” Wir gestehen gern, daß uns, den überzeugten Wagner-Enthusiasten, dieser Vortrag am tiefsten gepackt hat, und uns schien, als ob die Künstlerin diese bald von visionär-gespenstischer Stimmung überhauchte, bald sich in inbrünstiges, unbewußt erlösungsmächtiges Weibessehnen versenkende Ballade vom Fliegenden Holländer mit ganz besonderer, kongenialer Hingabe an das Werk gesungen habe. Der Eindruck auf die Zuhörer war ein gewaltiger; das ganze Haus hielt förmlich den Atem an, gebannt durch die hohe Kunst der Sängerin und die Herzensschlüsselgewalt des unvergleichlichen Meisters. Und gewaltig war auch der Beifall, der danach, zum Abschlusse des ersten Teils, den Raum durchbrauste und die Konzertgeberin immer wieder nötigte, an der Rampe zu erscheinen und den Dank der Hörer entgegenzunehmen.

Wir müssen davon absehen, alle Darbietungen des Abends im einzelnen zu besprechen, so u. a. die kleineren Kompositionen, mit denen brasilianische Tonsetzer  —  Otero, Araujo Vianna, Nepomuceno  —  vorteilhaft vertreten waren; wir müßten sonst dieses Referat zu sehr ausdehnen. Es genüge zu sagen, daß Frau Brügelmann in diesen wie in den Arien und Romanzen von Puccini, Gounod, Carlos Gomes und Verdi allen Zauber ihrer Stimme und ihrer Vortragskunst entwickelte. Und statt Spuren der Ermüdung erkennen zu lassen  —  was ja nicht verwunderlich gewesen wäre, da die Konzertgeberin das ganze Programm völlig allein bestritt  —  schien sich ihre Stimme mit jedem Vortrag zu immer strahlenderem, sieghafterem Wohllaut zu entfalten. Die Arie „Vissi d’arte” aus „Tosca” mußte sie, dem stürmischen Verlangen nachgebend, wiederholen. Zum Schlusse wurden der ebenso hervorragenden wie sympathischen Künstlerin langanhaltende Huldigungen bereitet, wie ihr denn auch fast nach jedem Vortrage neue Blumenspenden überreicht wurden.

 

 Der Abend hat in vollem Umfange den künstlerischen Ruf bestätigt, welcher der Dame, die wir mit Stolz unsere engere Landmännin und Stammesgenossin nennen, hierher vorausging und der in ihrer Berufung an erste Bühnen und in hohen Auszeichnungen durch europäische Fürstenhöfe seinen Ausdruck gefunden hat. Es gereicht uns zu aufrichtiger Freude, Frau Brügelmann zu dem außerordentlicheen Erfolge ihres Konzertes beglückwünschen zu können, und wir bedauern nur, daß ihr Aufenthalt in der Heimatstadt so kurz sein soll. Hoffentlich ist es ihr aber möglich, uns in absehbarer Zeit wieder zu besuchen  —  es brauchen nicht wieder gerade sieben Jahre zu vergehen! „Wohl sieben Jahr, Tonkönigin, zu missen dich, es schreckt uns baß!” möchten wir de improviso Tom, den Reimer, variieren. Immer aber, wenn sie uns wiederkehrt, werden es Fest- und Weihetage sein für die  Kunstgemeinde ihrer Vaterstadt.

Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 23.6.1914

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Wir möchten ein unfreiwilliges Unterlassungsdelikt gutmachen, welches darin bestand, daß wir in unserm Referat über das Konzert der Hofopernsängerin Frau Hedy Iracema-Brügelmann vergaßen, den Träger des Klavierparts ihrer Darbietungen, Meister Henry Pénasse, zu erwähnen. Es geschah in der Eile unserer durch mannigfache andere Zwischen-Anforderungen häufig unterbrochenen Arbeit. Wir holen daher das Versäumte gern nach, indem wir dem ausgezeichneten Meister nachträglich die gebührende Würdigung zu teil werden lassen. Gewiß konnte sich die Sängerin einen besseren Begleiter nicht wünschen. Mit nie fehlender Sicherheit und feinstem Eingehen auf die Intentionen der Künstlerin schmiegte sich seine Begleitung deren Vortrag in allen Abschattungen an. Große seelische Ausdrucksfähigkeit entwickelte er in allen Partieen, die von den Tonsetzern mit eigenem Leben ausgestattet sind, oder den Gesangspart in plastischen Konturen illustrieren. Seine Begleitung war der unaufdringliche, aber selbst als Kunstwerk zu wertende Hintergrund, der das wundervolle Gemälde von Frau Brügelmanns Kunst erst recht hob und zu voller Wirkung brachte.

 — Wie wir erfahren, veranstaltet der „Club do Commercio” morgen eine Soirée, bei welcher die beiden einheimischen Gesangssterne Frau Hedy Iracema-Brügelmann und Frl. Olyntha Braga mitwirken werden. 

— Allgemeine Befriedigung wird die Nachricht wecken, daß Frau Brügelmann ihre Abreise noch um einige Tage verschoben hat, um auf vielfachen Wunsch noch einen deutschen Liederabend zu geben, der nächsten Dienstag in der Turnhalle stattfinden wird.

Deutsche Zeitung, Porto Alegre, 24.6.1914

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Die Hofopernsängerin Frau Hedy Iracema-Brügelmann wird auf Ansuchen einer Kommission im Apollo-Theater ein Konzert zu volkstümlichen Preisen veranstalten, um auch den Minderbemittelten Gelegenheit zu  geben, ihre Kunst zu hören.  —  Außerdem dürfte die Künstlerin zusammen mit Frl. Olyntha Braga, einem Ersuchen des Antituberkulose-Komitees stattgebend, am Sonntag noch einmal im Theater S. Pedro zu gunsten der „Liga gegen die Tuberkulose” singen.

Deutsche  Zeitung, Porto Alegre, 30.6.1914

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Wir machen darauf aufmerksam, daß der Liederabend der Kammersängerin Frau Hedy  Brügelmann, den der „Turnerbund” angekündigt hat, heut auf jeden Fall stattfindet, auch wenn’s weiterregnet. Das bißchen Naß von oben wird wohl keinen, der wirkliche Kunst zu schätzen weiß, vom Besuch abhalten. Das Programm ist zudem derartig zusammengestellt, daß gewiß jeder inneren Gewinn davon mit hinwegnehmen wird.