Hedy Brügelmann an Lorle Meissner (geb. Vischer, Konzertsängerin und Bildhauerin, Wien, 1880-1948), Stuttgart, 22.6.1913 (Universitätsbibliothek Bonn)
Meine liebe verehrte Frau Meissner,
Sie werden mir wohl sehr böse sein, daß Sie noch immer nichts von mir hörten! Ich kam aber wirklich nicht dazu, Sie wissen ja aus eigener Erfahrung, wie wir Künstler sind! Ich soll Ihnen also raten! Das ist garnicht so einfach.
Ich habe verschiedene Lehrer gehabt, in Köln ist nur noch Fräulein Wally Schauseil, der ich meine leichte Höhe oder besser gesagt, deren Behandlung verdanke. Dann hätten Sie die nötige Kontrolle, gerade um in der Höhe mehr Leichtigkeit zu bekommen. Um künstlerisch ein Programm durchzuarbeiten, würde ich mich an den Pianisten K. Friedberg wenden. Mit dem Herrn studierte ich eine große Gruppe Lieder und diese Stunden gehören heute noch zu meinen schönsten. Herr Friedberg hat Gefühl für Ton und Aussprache noch dazu. (Stunde 20 M.)
Diese meine Angaben (über Frl. Schauseil) behandeln Sie bitte diskret, ich studierte 3 Jahre bei ihr, bin ihr zu Dank verpflichtet. - Von Ihnen und über Ihre schönen Leistungen las ich oft und freute mich sehr darüber. Falls Ihr Weg Sie nach Stuttgart führt, hoffe ich auf Ihren lieben Besuch. Daß Sie mit Schillings in Kissingen musizieren werden, freut mich. Vielleicht kommen Sie zu einem der hiesigen Abonnements-Konzerte. -
Von Amalie (ältere Schwester von Hedy, RB) höre ich ab und zu und stets Gutes. Sie übt aber ihre schöne Kunst nur zu Hause aus. Sie ist ja nicht mehr jung, - aber zum Aufhören war es doch zu früh, besonders bei ihren herrlichen Mitteln.
Hoffentlich sehen wir uns bald, ich möchte Sie auch zu gerne hören!
Herzlichst Ihre Hedy Iracema-Brügelmann
Hedy Brügelmann an Helene Vischer (geb. von Flattich, 1856-1928, Wien, Mutter von Lorle Meissner), Stuttgart, Fischerstrasse 4/II, 4.7.1916 (Universitätsbibliothek Bonn)
Meine liebe, verehrte gnädige Frau,
den ganzen Tag schon bin ich in einer frohen und glücklichen Stimmung, - und das haben Sie mit Ihren lieben warmen Worten erreicht. Nun freue ich mich ganz besonders
auf Wien. Ich weiß nun, daß ich dort liebe gütige Menschen finden werde! - Noch muß ich erst gastieren in Wien. Mein Engagement wird natürlich erst perfekt, wenn ich bei meinem Gastspiel zeige,
daß ich diejenige bin, die man sucht. Ich nehme Ihren heutigen lieben Brief als gutes Omen an! Ich käme gar zu gerne nach Wien, aber ich weiß auch, wie schwer es ist sich dort durchzusetzen.
Sobald ich weiß, wann ich gastiere, teile ich es Ihnen gleich mit. Ich hoffe sehr zuerst als "Aïda" aufzutreten.
Was macht "Lorle" die Anmutige? Ich las ihren Namen öfter, doch fürchte ich, daß auch ihr der Krieg einen Strich machte. Wir leiden alle, - und sähen es doch so gerne, - wenn man an die tapferen
Feldgrauen, unsere Helden, denkt. Ich hatte das ganz große Glück, in Lille Anfang Juni 5x das Evchen in den "Meistersingern" zu singen. Noch nie empfand ich es so als Glück Künstlerin sein zu
dürfen als dort vor unseren Feldgrauen.
Von Brasilien höre ich leider garnichts seit Dezember, kann Ihnen keine frischen Nachrichten von unserer lieben Mali geben. Da war ich vor 2 Jahren drüben, kam im Oktober 14 - während des Krieges heim - und kann Ihnen bald in Wien ausführlich berichten. Nur das Eine: ich kann es kaum begreifen, daß die schönste Stimme sich nicht durchzusetzen vermochte!
Und nun noch einen dankbaren Kuß auf Ihre gütige Hand. Wie freue ich mich auf Sie, und wie habe ich hier stets eine warmblütige Seele - eine Frauenseele - vermisst! -
Ich bin mit viel lieben Grüßen
Ihre dankbar ergebene
Hedy Iracema-Brügelmann
Kommentar von Helene Vischer, Wien, 8.7.1916:
Ist das nicht ein lieber Brief! Es wäre schön, wenn die hierher käme.